40 Jahre Evangelischer Theologiekurs – Eine inspirierende Jubiläumsfeier

Ein Bericht | von Antje Körner

An einem nasskalten Herbstnachmittag trafen sich knapp 50 geladene Gäste zur Feier des 40. Geburtstags des Evangelischen Theologiekurses im Zwinglisaal des Klosters Kappel.

Den mitreissenden musikalischen Auftakt zur Veranstaltung gestalteten Susanne Hagen (Klavier und Gesang) und Andreas Wäldele (Geige und Mandoline) mit einem bunten Potpourri von irischer Musik bis Jazz. Der Zürcher Kirchenrat Bruno Kleeb gratulierte dem ETK herzlich und humorvoll zum Jubiläum. Er dankte den Gründerinnen und Gründern für ihre Arbeit und Weiterentwicklung des «kleinen Theologie-Studiums».

Schon eine erste kurze Umbaupause wurde für regen Austausch genutzt. Die heitere Stimmung unter den anwesenden Personen, eine bunte Mischung aus Gründungsmitgliedern, Kirchenleitungen, Kursleitenden sowie aktuellen und ehemaligen Teilnehmenden liess eine grosse Freude über das Kennenlernen oder Wiedersehen nach teils langer Zeit spüren.

Den inhaltlichen Anfang machte ein Impuls von Thorsten Dietz, einer der beiden Leiter der Fachstelle Fokus Theologie, der einen Überblick über Entstehung, Entwicklung und Weiterbearbeitung des ETKs gab. Theologische Bildung für Erwachsene ist bis heute eine viel zu wenig angenommene Herausforderung der Religionspädagogik. Demgegenüber war es von Anfang an ein Grundanliegen des ETK, dass Theologie nicht nur in der Berufsausbildung der Pfarrpersonen stattfindet, sondern allen zugänglich gemacht wird.

Jörg Frey: Die Zukunft der Kirche liegt im Empowerment der Ehrenamtlichen

Prof. Jörg Frey

Jörg Frey, Professor für Neues Testament an der Uni Zürich, stellte die Ermächtigung der kirchlichen Ehrenamtlichen und Freiwilligen ins Zentrum seines Festvortrages. Die Zukunft der Kirchen hängt wesentlich daran, die mündigen Kirchenmitglieder sprachfähig zu machen. Die Kirchen müssten raus aus der Krisenrhetorik von «kleiner, älter, ärmer». Das Empowerment der «Laien» sei das Lebenselixier der Kirche. Für diese Menschen seien dann aber auch Grundkenntnisse der Bibelwissenschaft zentral. Wo Menschen dieses Wissen partizipatorisch vermittelt werde, können sie einen eigenständigen Zugang zur Bibel entwickeln.

Wie diese Befähigung konkret aussehen könnte, machte Frey anhand von ausgewählten Beispielen deutlich. Bibelwissenschaft für alle meint: Genau hinsehen, Freude an literarischer Gestalt wecken, Neues entdecken, überkommene Vorstellungen auf biblischer Basis korrigieren, dem Missbrauch von Bibeltexten entgegentreten.

Nach einem weiteren musikalischen Intermezzo mit einer Lerche, die auf den Dachbalken des Saales tanzte, eröffnete Andreas Loos den zweiten Teil des Nachmittags. Loos, der Co-Leiter der Fachstelle Fokus Theologie, moderierte die Talkrunde «40 Jahre ETK: Schön war’s – und jetzt?»

ETK-Mitbegründer Volker Weymann: Es war ein ungeheurer Aufbruch

Zum Auftakt gab es ein Interview mit Volker Weymann, der zusammen mit den beiden anwesenden Dorothea Wiehmann und Felix Marti vor 40 Jahren in der Gründungskommission des ETK sass. Er berichtete lebhaft davon, wie es damals in der Kirchenkonferenz eine rege Diskussion zur theologischen Fortbildung gab. Eine Pfarrperson gab zu bedenken, dass theologisch gebildete Laien eine Herausforderung für Pfarrerinnen und Pfarrer darstellten, worauf eine Synodale konterte: Eine ebensolche Herausforderung sind theologisch wenig gebildete Theologen für die Laien.

Volker Weymann wurde damals mit der Erstellung eines theologischen Konzepts für einen Theologiekurs gebeten (Vgl. seine grundlegenden Überlegungen hier). Dabei war die Arbeit mit den Teilnehmenden ungeheuer hilfreich. Am ETK nahmen häufig Leute teil, die ihren in der Kindheit gelernten Glauben nicht auf den Misthaufen werfen, sondern ihn überdenken wollten. Oder auch Leute, die mit der Kirche fertig waren, aber ihr noch eine letzte Chance geben wollten. Am Anfang gab es einen regelrechten Run auf den ETK, viele Unterlagen und Konzepte mussten in kürzester Zeit erstellt werden.

Theologiekurs fördert die eigene Glaubensentwicklung

Catherine Berger (Kirchenrätin Aargau), Christina aus der Au (Kirchenratspräsidentin Thurgau) und Anita Vögtlin (Kirchenrätin Basel) machten die Runde komplett. Auf die Frage, was der Besuch des ETK für sie bedeutet hat, kamen Antworten, die die Wichtigkeit des ETK für die einzelnen Personen zum Ausdruck brachten:

Andreas Loos mit Volker Weymann

– Der ETK ist ein Glaubenskurs im Sinne von: Wo sind meine Glaubensressourcen, wo ist meine Not mit dem Glauben – er fördert die eigene Glaubensentwicklung.

– Der ETK zeigt, das gute Theologie immer in Beziehung mit mir steht.

– Aus Glaube wird Wissen – aber auch umgekehrt: Man hat nach dem ETK viel mehr Fragen als vorher, man weiss aber, was Wissen ist und was Glauben.

– Der ETK macht klar, dass Glauben nicht eine mindere Weise des Wissens ist. Glaube heisst, mich verlassen – worauf kann ich mich verlassen? Man lernt, sich selbst neu zu verstehen, die eigenen Probleme neu zu verstehen.

– Eigene Überzeugungen werden in Frage gestellt, über den Haufen geworfen und neu aufgebaut.

– Man entdeckt völlig neue, fremde und andere Perspektiven.

– Glaube muss im täglichen Leben umgesetzt und angewendet werden (können).

Der ETK-Mitbegründer Felix Marti erzählte, wie der ETK sein Leben als Pfarrer und Theologe beeinflusst hat. Schon die Tatsache, wie riesig die Motivation der Teilnehmenden war, sei prägend für ihn gewesen. Die Leute kamen teils von weit her, zumal in Graubünden. Zudem hatte der ETK auch heimliche Besucher – Männer, die von ihren Frauen bis weit in die Nacht haargenau über die Inhalte des Abends informiert wurden.

Catherine Berger (Aargau), Christina aus der Au (Thurgau) und Anita Vögtlin (Basel)

Und wie könnte es mit dem ETK in Zukunft weitergehen?

«Wie können wir die theologischen Themen heute für Normalsterbliche runterbrechen?»

Die Kursleiterin Cornelia Nussberger vom Theologiekurs in Bern stellte fest, dass der ETK stark darin ist, Inhalte zu generieren – diese aber dann im Kurs zu präsentieren, brauche viel Energie. Sie wäre dankbar für neue Methoden, die geübt werden und mit den Teilnehmenden umgesetzt werden könnten. Die Kursthemen müssten für Normalsterbliche runtergebrochen werden.

Christina aus der Au betonte, dass die Auseinandersetzung mit einem Text, wenn sie gut angeleitet ist, genauso wichtig wie die Praxis ist. Theorie und Praxis sollte man nie gegeneinander ausspielen, gute Theorie ist etwas sehr Praktisches.

Anita Vögtlin ergänzte, dass das Wissen aus dem ETK vielen Leuten helfen würde, bezüglich Kirche nicht mehr in «mittelalterlichen», überholten Vorstellungen hängenzubleiben.

Für Catherine Berger ist schon die Unterscheidung in Expert:innen und Laien unsinnig. All diese sogenannten Laien haben auch eine Profession – und könnten entsprechende Kompetenzen einbringen, sowohl in den ETK wie in die Kirchen. Die Sprache muss sich verändern – hin zu einem wirklichen Priestertum aller Gläubigen. Dennoch gibt es Dinge, die klar zum Theologen, zur Theologin gehören – welche das sind, müsse geklärt werden.

Für alle ist zentral, dass der ETK nicht zu Ausbildungszwecken instrumentalisiert wird. Auch die beiden langjährigen Fachstellenleiter:innen Angela Wäffler und Regula Tanner sind von der positiven Zukunft des ETK überzeugt. Angela Wäffler hielt fest, dass Ermächtigung von Menschen genau das ist, was beim ETK nicht aus der Zeit gefallen ist. Die Teilnehmenden werden befähigt, zu entdecken, was sie selbst entdecken und begreifen können, sie lernen, sich selbst zu trauen.

Wie kann der Theologiekurs flexibler werden?

Abschliessend kamen aber auch die Dinge zur Sprache, wo Erneuerung nötig ist:

  • Da die dreijährige Dauer des ETKs heute mehr denn je eine hohe Hürde sei, müsste der ETK stärker modularisiert werden, so dass es leichter wird, auch kleinere Einheiten zu besuchen. Dabei müsse man sich auf eine Gratwanderung einlassen, weil gerade auch das lange Zusammensein eine sehr schöne Erfahrung ist.
  • Vielleicht müsste auch einfach die Benennung anders werden, keine Einteilung mehr in den Katalog von Ethik, AT, NT, Kirchengeschichte. Stattdessen übergreifende Themen wie «Gott begegnen – auch in anderen Religionen».
  • Volker Weymann merkt an, dass das, was am christlichen Glauben heute provoziert, stärker aufgegriffen werden müsse. Kontroverse Fragen des Lebens, des Glaubens oder der Bibel sollten bewusst zum Ausgangspunkt des Nachdenkens genutzt werden. Je umstrittener der christliche Glaube ist, desto mehr gibt er zu denken. (Z.B. «Warum lässt Gott das zu?»).
  • Es sei durchaus eine Möglichkeit, verstärkt zweigleisig zu fahren, den klassischen Kurs fortzuführen und zugleich durch Module zu ergänzen, die von externen Personen besucht werden können. Wie überall in den Kirchen brauchen wir den Mut zu experimentieren. Es dürfen und sollen Dinge auch schiefgehen können.

Die anregende Diskussion, die von den Anwesenden engagiert mitverfolgt wurde, hätte noch lange weiter geführt werden können.

Abgerundet wurde der gelungene Festnachmittag von einem gemeinsamen, ausgezeichneten Abendessen im Klosterkeller, bei dem an den einzelnen Tischen lebhaft weiter diskutiert und ausgetauscht wurde.