40 Jahre Evangelischer Theologiekurs: Ein Glücksfall

40 Jahre Evangelischer Theologiekurs – seit 1987 auch im Aargau. Von Stephan Degen-Ballmer, Kursleitung ETK Aargau

«Der Evangelische Theologiekurs. Ein Glücksfall – auch für die Landeskirche im Aargau», so betitelten Vreni Gut und Christian Bader ihre 2006 erstellte Gesamtevaluation des Evangelischen Theologiekurses.

Seit 1987 findet der Evangelische Theologiekurs im Aargau statt. Nach einem kurzen Unterbruch starteten 2009 Christina Soland und Stephan Degen-Ballmer mit einer Kursgruppe von 14 Teilnehmenden einen neuen Kurs. Nach zwei Jahren gab es einen Wechsel in der Kursleitung. Für Christina Soland kam neu Christine Nöthiger-Strahm in die Kursleitung. Sie brachte viel Erfahrung von früheren Theologiekursen in Bern mit.

Intensiver, persönlicher Austausch mit Gleichgesinnten

Im Oktober 2012 startete ein weiterer Kurs mit sieben Frauen und sechs Männern. Sie beschäftigten sich zunächst intensiv mit dem Alten Testament und erlebten, wie vielfältig, reich und teilweise widersprüchlich die biblischen Texte sind. Zum zweiten Kursjahr kamen nochmals 5 Personen dazu. In dieser Kursgruppe waren erstmals auch zwei Teilnehmende dabei, die sich zum/zur Laienprediger:in ausbilden liessen und deswegen den Theologiekurs besuchten.

In den folgenden Jahren kamen immer wieder Männer und Frauen in den Kurs, welche die Laienpredigerausbildung absolvierten. Der Theologiekurs bietet in diesem Fall eine solide theologische Grundlage für diesen Dienst. Als im September 2015 die dreijährige Kurszeit endete, schrieb eine Teilnehmerin im a+o:

«Ein letztes Mal trafen sich die Teilnehmenden von Evangelischen Theologiekurs der Reformierten Landeskirche 2012–2015 auf dem Rügel, wo sie am 18./19. September ein Studienwochenende miteinander verbrachten. Und ein letztes Mal wechselten Informationsteile, Gruppenarbeiten und intensive Gespräche, auch ausserhalb der offiziellen Zeiten einander ab.

Den Abschluss bildete am Samstag ein feierlicher Gottesdienst, den die Teilnehmenden selber vorbereitet und gestaltet hatten: Ein Predigtteil zum Gleichnis vom grossen Gastmahl nach Lk 14,12-24 und ein Abendmahl, eingerahmt von viel Musik. Schliesslich konnten 4 Frauen und 5 Männer ihre offizielle Kursbestätigung in Empfang nehmen. Für einige Teilnehmende hingegen wird es weitergehen, denn sie haben erst ein oder zwei Kursjahre absolviert.

Etwas Wehmut war auch dabei an diesem wunderschönen goldenen Herbsttag auf dem Rügel: Drei Jahre waren die Teilnehmenden unter der kompetenten Leitung von Pfarrer Dr. theol. Stephan Degen-Ballmer und Pfarrerin Dr. theol. Christine Nöthiger-Strahm miteinander auf einem intensiven Weg gewesen: Wissen erwerbend, sich Fragen stellend zu Religion, Kirchengeschichte, Ethik und nicht zuletzt zum eigenen, persönlichen Glauben. Fragen, die niemals zu Ende gehen – und so wollen sich die auf dem Rügel Verabschiedeten auch nach dem offiziellen Kursende weiterhin regelmässig treffen, denn sie alle haben den intensiven, persönlichen Austausch mit Gleichgesinnten sehr schätzen gelernt.»

Barbara Tobler, Aarau

Highlight Studienwochenende

Ein Highlight im 2. Kursjahr, wenn der Kurs den Spuren des Christlichen nachgeht, ist die Studienreise nach Genf. Eine Teilnehmerin schrieb im Mai 2017 folgenden Bericht darüber.

«Passend zum Jubiläum 500 Jahre Reformation fand im Rahmen des Evangelischen Theologiekurses der Reformierten Landeskirche Aargau im März ein Studienwochenende in Genf statt. Entsprechend stand Johannes Calvin im Mittelpunkt. Vor der Reformationswand – 1909 erbaut und 100 Meter lang – kam man sich sehr klein vor. Die Wand wurde zum 400. Geburtstag von Johannes Calvin errichtet. In der Mitte stehen vier Statuen: Guillaume Farel, Johannes Calvin, Theodor Beza und John Knox.

In der Kathedrale St. Peter blieb wenig Zeit, um alles genau anzuschauen. Doch was man sah und erfuhr, hinterliess bleibenden Eindruck. So zum Beispiel, dass in dieser Kirche der erste Gottesdienst des Ökumenischen Rates der Kirchen nach dem Zweiten Weltkrieg stattfand. Imposant auch die Orgel sowie die Seitenkapelle mit ihren Fenstern. Die Fenster mit den vier Evangelisten wurden genauer betrachtet, dennoch war es nicht einfach, die zugehörigen Symbole zu finden. Am schwierigsten war der Adler des Johannes zu orten.

Am Samstagmorgen stand der lohnende Besuch des Reformationsmuseums auf dem Programm. Das Museum ist sehr vielseitig und voller Informationen. Nach dessen Besuch blieb Zeit, um sich in der Stadt umzusehen. So erlebten die «Schüler und Schülerinnen» von Christine Nöthiger-Strahm und Stephan Degen-Ballmer ein prallgefülltes Wochenende mit unzähligen Eindrücken. Wer selber einmal an einer solch interessanten Exkursion teilnehmen oder Teil der Klasse werden möchte, kann sich für den Evangelischen Theologiekurs anmelden.»

Gudrun Bähler-Schydlowski

Themenabende für Theologie & Glauben

Seit 2014 ergänzen drei öffentliche Themenabende zu Theologie & Glauben die Kursabende des ETK. Zu den Themenabenden sind nicht nur die Kursteilnehmenden, sondern alle Interessierten eingeladen. Pierre Stutz, Antje Sabine Nägeli, Georg Otto Schmid, Fulbert Steffensky, Luzia Sutter Rehmann, Peter Opitz, Michel Bollag, Thomas Staubli oder Konrad Schmid referierten schon an den Themenabenden und trugen dazu bei, dass sich interessierte Laien zu Themen des Glaubens, der Kirche und Theologie informieren und äussern konnten.

Werbung   

Ja, der Evangelische Theologiekurs ist auch heute noch, nach weiteren 18 Jahren ein Glücksfall, wenn auch nicht mehr so gefragt wie in den ersten Jahren. Es ist jedes Jahr eine Herausforderung, wie es am besten gelingt, möglichst viele Menschen auf den ETK aufmerksam zu machen. Die Bereitschaft, sich für drei Jahre für einen Kurs zu verpflichten, hat in den letzten Jahren abgenommen. Deshalb bieten wir im Aargau schon seit vielen Jahren an, einerseits jedes Jahr in den Kurs einzusteigen und andererseits auch nur ausgewählte Themenblöcke zu besuchen. Ein bewährtes Mittel der Werbung sind Statements oder Erfahrungsberichte von Teilnehmenden, die wir in unserer Kirchenzeitschrift a+o publizieren. Hier sind vier kurze Erfahrungsberichte aus dem Theologiekurs 2019-20.

Neue Einblicke und Denkanstösse

Zwei Kursjahre liegen schon hinter mir, und ich möchte nicht einen Kursabend missen. Der Austausch, die Diskussionen und die verschiedenen Sichtweisen auf ein bestimmtes Kursthema machen diesen Kurs zu einem echten Erlebnis. All die theologischen Themen, die Vielfalt von Kirchengeschichte, Ethik, Gott, Jesus und unsere Wahrnehmung wachsen und verändern sich im Laufe unseres Lebens und geben neue Einblicke und Denkanstösse. Die Religion, unser Glaube, die Traditionen und unsere Kultur sind mir persönlich sehr wichtig. Um sie besser zu verstehen, ist es mir ein Anliegen, meine Wurzeln zu kennen. Ausserdem bin ich sicher, dass meine Toleranz anderen Menschen gegenüber grösser wird, wenn ich gestärkt im Alltag unterwegs bin.

Ute Baldinger, Tegerfelden

Vielfältig, spannend, herausfordernd

In drei Jahren Evangelischer Theologiekurs habe ich sehr viel lernen und erleben dürfen. Viel Wissen ist uns vermittelt worden, und gleichzeitig wurden wir aufgefordert, unsere eigenen Meinungen und Ansichten zu formulieren, eventuell zu hinterfragen und mit den anderen auszutauschen. Im Frühling 2017 habe ich im Modul Ethik in den Theologiekurs reingeschnuppert. Was für eine Fülle an Informationen zum Thema Gerechtigkeit: Vom Codex Hammurapi über die Arbeiter im Weinberg bis zur «Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte». Ich war begeistert und habe mich für den Theologiekurs angemeldet. Nun werde ich Ende September den Kurs mit einem letzten Höhepunkt abschliessen, dem Studienwochenende in Genf.

Meine Motivation für den ETK war, meine christlichen Wurzeln besser kennen zu lernen und mich damit auseinander zu setzen. Ich habe gelernt, Fragen zu stellen, und in Texten und im Gespräch Antworten zu suchen oder auch Fragen stehen zu lassen. Christine Nöthiger-Strahm und Stephan Degen-Ballmer haben kompetent und mit grossem Engagement durch diese Jahre geführt. Mit ehemaligen Kursteilnehmerinnen und Teilnehmern werde ich einen ETK-Treff gründen, wo wir weiterhin Texte lesen und über Glaubens- und Lebensfragen im Gespräch bleiben werden.                                           

Theres Gindely-Gerber, Baden

Fragen zu Glauben und Naturwissenschaft, Ethik und Moral

2015 / 2016 habe ich den Kurs «Theologie kompakt» der Reformierten Landeskirche Zürich besucht. Zur Kurserfüllung mussten drei anspruchsvolle Kompetenz-Nachweis Arbeiten verfasst und bestanden werden. Seit diesem Kurs beschäftigen mich immer wieder Themen und Fragen wie Glauben und Naturwissenschaft, Ethik, Moral, meine eigenen Werte. Wie kann ich die Trinität verstehen? Wie kann ich die Gebote der Bergpredigt in meinem Alltag leben? Wie kann ich nach Auschwitz noch glauben und leben? In meinem Freundes- und Bekanntenkreis kann ich leider mit niemandem über diese Themen und Fragen sprechen.

Deshalb besuche ich seit zwei Jahren den Evangelischen Theologiekurs. Hier finde ich interessante, herausfordernde Gesprächspartnerinnen und meine Zweifel und Fragen finden Antworten und Anregungen. Als einziger Mann mit zehn spannenden, engagierten Frauen, war der Einstieg nicht einfach! Inzwischen haben wir uns in der Gruppe gefunden und geniessen das gemeinsame Lernen, die teilweise heftigen Diskussionen und das oft fröhliche Zusammensein.

Maxruedi Schlör, Reinach AG

Heitere und typische Szenen

«Was treibt ihr da eigentlich den ganzen Abend in Aarau?» So bin ich schon gefragt worden. Heitere oder auch typische Szenen tauchen vor mir auf: Szene 1: Wir stimmen uns im Kreis auf die kommenden drei Stunden ein. Wie üblich macht jemand kurz zu einem beliebigen Thema eine Einführung. Diesmal hören wir Klezmer-Musik und jiddische Witze bringen die Runde zum Lachen. Anschliessend begeben wir uns an die Tische, die «harte Arbeit» beginnt.

Szene 2: Wir setzten uns mit dem «historischen Jesus» auseinander. Dazu haben wir unter anderem 12 Bilder (Gemälde, Comics, Kinderbibelbilder usw.) zur Ansicht bekommen. Auftrag: «Bei welchem Bild bleibst du hängen?» Wir tauschen uns aus. Wunderbar, wie verschieden wir alle sind und wie sich das beim Interpretieren der Bilder zeigt.

Szene 3: Neben den Donnerstagabenden können wir an Wochenenden oder bei Ausflügen intensiver in ein Thema eintauchen. So besuchten wir im letzten Sommer die Synagoge in Baden und anschliessend den jüdischen Friedhof in Endingen. Ein berührendes Erlebnis! Ich bin gespannt, was das nächste Kursjahr bringen wird.

Die vier Erfahrungsberichte zeigen, wie wertvoll der Evangelische Theologiekurs für jene Menschen geworden ist, die ihn besucht haben. Nach wie vor scheint mir der ETK ein lohnendes Bildungsangebot der Kirchen zu sein. Wie seine Zukunft in der Kirche aussieht, im Kontext von Sparmassnahmen und Umstrukturierungen einerseits, steigender Bedeutung einer theologischen Qualifikation der Ehrenamtlichen andererseits, bleibt offen.

Weitere Informationen zum Evangelischen Theologiekurs finden sich hier.