Kathy Ehrensperger: Der jüdische Jesus und der christliche Glaube

Vortrag vom 03. November in der Reihe Theologiekurs extra
Neutraler Hintergrund mit Referentin

Am 03. November 2025 hat Prof. Kathy Ehrensperger einen Vortrag in Zürich gehalten beim erstmals von Fokus Theologie verantworteten Format Theologiekurs extra.

Die langjährige Expertin für christliche und judaistische Forschungen zum Neuen Testament hat in ihrem Vortrag unter dem Titel «Der jüdische Jesus und der christliche Glaube» einen Überblick zur neueren Entwicklung der Bibelforschung gegeben.

Der jüdische Jesus und seine jüdisch-christliche Deutung

Lange Zeit glaubte die Kirche, Jesus und das Judentum gegeneinander ausspielen zu können. Jesus wurde in der Tradition als der von den Juden verworfene Messias und Gottessohn beschrieben. Seine Auseinandersetzung mit manchen jüdischen Autoritäten seiner Zeit wurde in verfälschender Weise ausgelegt als Kritik eines am Gesetz orientierten Judentums, die man auf das erst später entstandene rabbinische Judentum glaubte übertragen zu können. Die künstliche Trennung zwischen dem Christus des christlichen Glaubens und dem Judentum als seiner Dunkelfolie führte zu einer langen Geschichte christlicher Verachtung des Judentums; mit verheerenden Folgen für jüdische Menschen im christlichen Europa.

Die Trennung der Wege und heutige Annäherungen

In ihrem Vortrag zeigt Kathy Ehrensperger, dass Jesus wie im Rahmen des Judentums seiner Zeit wie selbstverständlich geglaubt, gelebt und gelehrt hatte. Und mehr: Auch die frühen christlichen Deutungen seines Weges als Messias, als gekreuzigter und erhöhter Gottessohn, entstehen sämtlich in jüdischen Vorstellungswelten, die nicht einfach mit späteren Lehrformulierungen der Kirche zu verwechseln sind. Zugleich ist auch klar:

Das rabbinische Judentum nimmt ab dem 2. Jahrhundert eine Entwicklung, die das Judentum noch einmal ein anderes Profil gewinnen lässt als zur Zeit Jesu. Insofern kann es nicht darum gehen, den Unterschied der Entwicklungen unsichtbar zu machen. Zu einer neuen christlichen Anerkennung des Judentums im Bewusstsein der Differenz kann es da kommen, wo wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede christlicher und jüdischer Wege ernst nehmen.

Zur Referentin Kathy Ehrensperger

Kathy Ehrensperger arbeitete als Pfarrerin der evangelisch-reformierten Kirche in Binningen-Bottmingen (1987 bis 2004). Ab 2004 lehrte sie Dozentin für Neues Testament an die University of Wales. 2017 bis 2022 hatte sie die Forschungsprofessur für Neues Testament in jüdischer Perspektive am Abraham Geiger Kolleg der Universität Potsdam inne.

In ihrer Forschungstätigkeit und ihren zahlreichen Publikationen widmet sie sich vor allem der Untersuchung anti-jüdischer Stereotypen in neutestamentlicher Exegese und Theologie, sowohl im deutschsprachigen als auch im anglo-amerikanischen Raum, insbesondere im Bereich der Paulus-Forschung, und sucht nach Interpretationsansätzen zu deren Überwindung.

Siehe auch das Geist.Zeit-Gespräch mit Kathy Ehrensperger: Wie jüdisch ist der christliche Gott?

Vgl. von Kathy Ehrensperger auch mehrere Beiträge bei Worthaus, u.a. ihren Vortrag: Das Judentum – die religiöse Heimat des Paulus von Tarsus

Dieser Beitrag ist Teil des Dossiers Kirche ohne Antisemitismus.

Foto von Antje Körner, Zürich 03. November 2025.