Eine Erfolgsgeschichte von über vier Jahrzehnten
Der Evangelische Theologiekurs (ETK) ist das klassische Langzeitangebot theologischer Erwachsenenbildung in den Reformierten Kirchen der Deutschschweiz. Seit 1984 haben ihn Tausende absolviert. Gegenwärtig wird der ETK in acht Städten angeboten.
Aufbau und Struktur
Von Anfang an ging es darum, Interessierten einen umfassenden Einblick in alle Fächer der Theologie zu ermöglichen. Ursprünglich war der Theologiekurs als dreijähriges Curriculum für eine feste Kursgruppe unter der Leitung eines Teams von Verantwortlichen konzipiert.
Bereits seit vielen Jahren besteht aber auch die Möglichkeit, den Theologiekurs jedes Jahr für Neueinsteiger:innen zu öffnen oder auch gänzlich in der Form einzelner inhaltlicher Module anzubieten. Die konkrete Form der Durchführung wird je nach Nachfrage von der jeweiligen Kantonalkirche entschieden und verantwortet.
In dieser Ordnung wird weitgehend der Fächerkanon der theologischen Fakultäten abgebildet. In jedem Kursjahr arbeiten die Teilnehmenden des Theologiekurses an jeweils fünf Bereichen:
- Bibel (Altes Testament, Neues Testament)
- Themen der Theologie (klassische Fragen der Dogmatik)
- Ethik (Grundfragen und Angewandte Ethik)
- Kirche (Geschichte und Praxis)
- Religionen (Judentum, Islam, Buddhismus)
Die Abende werden geleitet von einem Team aus Theolog:innen, die sowohl wissenschaftlich als auch erwachsenenbildnerisch kompetent und qualifiziert sind und darauf achten, dass die Fragen und Perspektiven der Teilnehmenden und die theologischen Inhalte miteinander ins Gespräch kommen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des ETK sind die Kursunterlagen, die jedem Thema bzw. Kursabend zugrunde liegen. Diese Kursunterlagen wurden durchwegs so konzipiert, dass sie den Kursleitenden eine Arbeitsgrundlage für die jeweilige Einheit zur Verfügung stellen; mit Zusammenfassungen massgeblicher Inhalte, Materialien für Vorträge, Einzel- und Gruppenarbeiten sowie Verlaufsskizzen.
Zugleich bekommen auch die Teilnehmenden diese Kursunterlagen. Teilweise werden die Texte vor der Sitzung zur Vorbereitung gelesen, meistens stehen sie den Mitgliedern des Kurses für die persönliche Nachbereitung der Kursinhalte zur Verfügung. Die Kursunterlagen werden regelmässig erneuert, so dass sie grundsätzlich aktuell bleiben.
Anerkennung durch Diakonie Schweiz
Seit 2023 erkennt Diakonie Schweiz den Evangelischen Theologiekurs als Abschluss des Ausbildungsteils «Kirchlich-theologische Grundlagen» für Sozialdiakonie an – sofern zusätzlich das neue Modul «Einführung in die Diakonie» besucht wird.
Pro Kursabend des Evangelischen Theologiekurses mit einer Dauer von 3 Stunden verbringen die Teilnehmenden zusätzlich etwa drei Stunden Zeit mit Vor- und Nachbereitung. Daher können 30 Unterrichtsstunden (mit einem Workload von 60 h) mitzwei ECTS-Punkten gleichgesetzt werden. Mit seiner Dauer von 3 Jahren, 3 Stunden Kurs pro Woche und zusätzlichen Wochenenden und Studientagen kommt das Kursangebot des ETK so auf einen Umfang, der rund 28 ECTS entspricht.
Inhalte und Kompetenzen
Von Anfang an war der Kurs so konzipiert, dass die wichtigsten Hauptbereiche der Theologie jeweils abwechselnd unterrichtet bzw. studiert werden.
Bibel
Gut reformiert hat die Beschäftigung mit der Bibel eine grundlegende Bedeutung. Ziel ist eine vertiefte Kenntnis der Bibel, mit Hilfe der grundlegenden Erkenntnisse wissenschaftlicher historischer Theologie.
Zum Teilbereich Altes Testament bietet der ETK die Module Einführung in die Schriften des Alten Testaments, Geschichte Israels und Exil als Wendezeit an.
Inhalte sind:
- Kenntnis von Aufbau und Inhalt der wichtigsten Bücher des ATs.
- Verständnis wichtiger Gattungen wie Psalmen, Weisheitstexte, Gesetzessammlungen, Erzähltexte oder Prophetie
- Überblick zur Geschichte des Volkes Israels.
- Verständnis, warum einschneidende Wandlungen der historischen Umstände mit Einschnitten in der Gotteserkenntnis einher gingen.
Zum Teilbereich Neues Testament bietet der ETK die Module Einführung in die Schriften des Neuen Testaments, sowie kürzere Themeneinheiten zu Maria Magdalena oder gesamtbiblischen Perspektiven an.
Behandelt werden dabei folgende Inhalte:
- Kenntnis von Aufbau und Inhalt der wichtigsten Bücher des Neuen Testaments.
- Verständnis wichtiger Gattungen wie Evangelien, Briefe und Apokalyptik
- Überblick zur Frage nach dem historischen Jesus und zur Geschichte der frühen Christenheit im ersten Jahrhundert.
- Unterscheidung zwischen der wahrscheinlichen Bedeutung der Texte in ihrem Ursprungskontext und ihrer Rezeption und Bedeutung in Geschichte und Gegenwart.
- Kenntnis wichtiger Ansätze, wie das Verhältnis von Altem und Neuem Testament zu bestimmen ist und inwiefern das Neue Testament bis heute grundlegende Bedeutung für den christlichen Glauben hat.
Folgende Kompetenzen werden in den biblischen Kursen vermittelt:
- Die Teilnehmenden sind sprachfähig geworden über ihr eigenes Verständnis der Bibel. Sie können die grundlegende Bedeutung der Bibel für die Kirche und ihre Wirkungen auf die moderne Kultur verständlich beantworten.
- Die Absolvent:innen können biblische und theologische Perspektiven so in heutige Debatten einbringen, dass die Bibel weder vergleichgültigt noch in falscher Unmittelbarkeit als Lösung für alle heutigen Fragen präsentiert wird.
Themen der Theologie
Unter Begriffen wie Dogmatik oder Systematische Theologie fasst man in der wissenschaftlichen Theologie alle Bemühungen zusammen, ein Verständnis des christlichen Glaubens im Horizont der Gegenwart zu entwickeln. Unter dem Titel Themen der Theologie führt der Theologiekurs in wichtige systematische Fragen ein mit besonderem Schwerpunkt auf der Frage, wie Glaubensthemen systematisch mit Lebensfragen von uns heute verbunden werden können.
Zu diesem Bereich bietet der ETK drei Module an, die sich an der klassischen Trinitätslehre orientieren: Über Gott nachdenken, Gott der Versöhner (Christologie), Der Geist macht lebendig (Pneumatologie) sowie das Modul Ewiges Leben.
Behandelt werden dabei folgende Inhalte:
- Die Rede von Gott angesichts moderner Fragen und Herausforderungen.
- Verständnis einer christlichen Schöpfungslehre im Gespräch mit dem naturwissenschaftlichen Weltwissen unserer Zeit.
- Überblick, wie das Christuszeugnis des Neuen Testaments immer wieder neu entfaltet wurde zu Entwürfen, wie Gottes Liebe in Jesus Christus Menschen versöhnt und erlöst.
- Kritische Auseinandersetzung mit theologischen Traditionen, die sich als problematisch erwiesen haben.
- Verständnis für das Wirken des Heiligen Geistes, wie es in der Bibel bezeugt, kirchengeschichtlich entfaltet und heute vielfältig erlebt und gestaltet wird.
Folgende Kompetenzen werden dabei vermittelt:
- Die Teilnehmenden sind in der Lage, ihren Glauben bzw. heutige Theologie ins Gespräch zu bringen mit den Herausforderungen einer modernen, von den Naturwissenschaften geprägten und pluralen Gesellschaft der Gegenwart.
- Die Absolvent:innen können ihre eigenen Überzeugungen einordnen in die heutige Vielfalt kirchlich-theologischer Positionen. Sie kennen ihre eigene Prägung und können profiliert Stellung beziehen, ohne ihre eigene Haltung absolut zu setzen.
Ethik
Zum ETK gehören drei ethische Module: Grundfragen der Ethik, Sachfragen der Ethik und Gerechtigkeit.
Behandelt werden dabei folgende Inhalte:
- Kenntnis wichtiger Unterscheidung von Ethik und Moral, Grundzüge philosophischer Ethik in ihren wichtigsten Ausprägungen bis heute.
- Überblick, welche Rolle eine theologische Ethik im Zusammenhang ethischer Ansätze heute spielen kann.
- Kenntnis exemplarischer Fragen heutiger Angewandter Ethik wie Wirtschaftsethik, Friedensethik, Umweltethik.
- Gerechtigkeit als ein Thema biblischer, philosophischer und historischer Entwürfe.
Folgende Kompetenzen werden dabei vermittelt:
- Die Absolvent:innen werden sprachfähig zur Teilnahme an aktuellen Debatten in Kenntnis der wichtigsten Ansätze ethischen Denkens. Sie können unterschiedliche kulturelle Prägungen, emotionale Haltungen und ethische Ansätze erkennen und verstehen, was ihnen im Gespräch erlaubt, andere von ihren Voraussetzungen her ernst zu nehmen und eigene Positionen so zu formulieren, dass sie von anderen verstanden werden können.
- Die Absolvent:innen wissen um die Bedeutung gründlicher Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Sachverhalt. Sie können ethisch argumentieren und diese Haltung von moralisierenden Kundgebungen unterscheiden.
- Befähigung, biblische und theologische Perspektiven so in heutige Debatten einzubringen, dass die Bibel nicht in falscher Unmittelbarkeit als Lösung präsentiert wird.
Religionen
Die Kenntnis der wichtigsten Weltreligionen gehört heute immer auch zu den Reflexionsvoraussetzungen des eigenen Glaubens. Zum ETK gehören vier Module: Judentum, Islam, Buddhismus und Religion und Biografie.
Behandelt werden dabei folgende Inhalte:
- Kenntnis der Geschichte des Judentums, seiner Quellen und seiner Rezeption der Hebräischen Bibel
- Kenntnis heutiger Ausprägungen der jüdischen Gemeinschaft weltweit.
- Besuch in Synagogen in der regionalen Nähe, Begegnungen mit Vertreter:innen jüdischer Identität.
- Kenntnis der Geschichte des Islams, des Korans und weiterer wichtiger Grundlagen seiner Orientierung
- Kenntnis heutiger Ausprägungen der muslimischen Gemeinschaft weltweit.
- Besuch in Moschee und in der regionalen Nähe, Begegnungen mit Vertreter:innen muslimischen Glaubens.
- Kenntnis der Geschichte des Buddhismus, seiner Entwicklung vor seinem hinduistischen Hintergrund und die vielfältige Ausprägung dieser Religion in Asien wie auch inzwischen im Westen.
- Kenntnis wichtiger Heiliger Schriften und Lehrgrundlagen.
Folgende Kompetenzen werden dabei vermittelt:
- Die Teilnehmenden werden befähigt, religiöse Vielfalt weltweit und in der Schweiz wahrzunehmen. Sie sind in der Lage, einzelne Phänomene einordnen zu können bzw. sich aufbauend auf ihre Grundkenntnisse zusätzlichen Überblick verschaffen zu können.
- Die Absolvent:innen können sich an Formaten des interreligiösen Dialogs beteiligen.
- Die Vertrautheit mit anderen Religionen steigert die Reflexionsfähigkeit und die Auskunftsfähigkeit im Blick auf die eigene Glaubenshaltung.
- Die Teilnehmenden können ihre eigene religiöse Biografie so reflektieren, dass diese dem Verstehen anderer Religionen hilft und nicht im Wege steht.
Kirche
Zum Theologiekurs gehört zuletzt auch die Kenntnis und die Reflexion der Vielfalt des Christentums in Geschichte und Gegenwart, in der Kirchengeschichte, sowie seiner konfessionellen Entfaltung und der Praxis kirchlicher Institutionen und Gruppen. Angeboten werden die Module Geschichte des Christentums, Kirche und Konfessionen, Christsein und Kirche / Praktische Theologie, Einführung in die Diakonie.
Behandelt werden dabei folgende Inhalte:
- Kenntnis der Kirchengeschichte: Exemplarische Auseinandersetzung mit allen Phasen der Geschichte: Die Alte Kirche mit ihren grundlegenden Entscheidungen zu Lehre und Struktur; das Mittelalter und seine vielgestaltige Frömmigkeit; die Reformation und ihre nicht zuletzt für Europa und für uns prägende Neuformung, die Vielfalt des globalen Christentums auf allen Kontinenten unter besonderer Berücksichtigung neuer Aufbrüche.
- Kenntnis der wichtigsten Konfessionen und Kirchenfamilien: Katholische, orthodoxe und protestantische Zugänge zu Themen wie Lehre, Kunst, Spiritualität, Ämter und Strukturen, soziale Fragen u.a.
- Einführung in Fragen der Vollzüge und Handlungsfelder der Kirche (Gottesdienst, Seelsorge, Spiritualität) und der Diakonie.
Folgende Kompetenzen werden dabei vermittelt:
- Der Theologiekurs ist keine Ausbildung zum Erwerb von – Handlungskompetenzen in kirchlichen Ämtern. Er stattet seine Absolvent:innen jedoch mit der Fähigkeit aus, das Gewordensein zu verstehen, heutige Herausforderungen zu erkennen und wichtige Kompetenzen würdigen zu können bzw. zu wissen, auf welchen Wegen sie heute durch Ausbildung erworben werden.
- Die Absolvent:innen können sich und andere orientieren im Bewusstsein, dass jede heutige Form des Christentums zutiefst geprägt ist von geschichtlichen Entwicklungen und Weichenstellungen.
Gewinn und Bedeutung
Der Evangelische Theologiekurs hat von Anfang an die persönliche Motivation seiner Teilnehmenden ins Zentrum gestellt. Er ist ein Bildungsangebot für Interessierte, gleichermassen für Menschen innerhalb kirchlicher Strukturen als auch für Menschen, die sich als reformierte Zeitgenossen oder als Neugierige bzw. Suchende verstehen.
Diese Offenheit für unterschiedliche Motivationen der Teilnehmenden sorgt dafür, dass sich im Theologiekurs Menschen mit ganz unterschiedlichen Perspektiven begegnen. Hochreligiöse Menschen mit hohem Engagement in Kirche und Gemeinde treffen auf Suchende und Zweifelnde bzw. umgekehrt. Von Anfang wird so der Umgang mit vielfältigen Grundhaltungen eingeübt.
Der wesentliche Gewinn des Evangelischen Theologiekurs ist der Erwerb von Sprach- und Gesprächsfähigkeit. Er ermöglicht einen umfassenden Einblick in alle wichtigen theologischen Fachgebiete. Kirchliche Mitarbeitende haben einen Überblick gewonnen, der es ihnen erlaubt, kirchliche Handlungsfelder zu verstehen und je nach zusätzlichen Ausbildungen zu verantworten.
Auch Absolvent:innen, die nicht in klassisch-kirchlichen Formaten involviert sind, aber das Christentum bzw. die Reformierte Kirche inhaltlich und geschichtlich verstehen, sind ein Gewinn für die Kirche, weil diese Menschen auf ihre Weise und in ganz anderen Kontexten dafür sorgen, dass ein Grundbestand religiösen Wissens innerhalb und ausserhalb der Gemeinden erhalten bleibt.
Siehe insgesamt auch unser Dossier zum Evangelischen Theologiekurs
Bildausschnitt: Plakat von Fokus Theologie