Gebetsbarometer

Sonnig, wechselhaft oder bewölkt? Aktuelle Messdaten rund ums Gebet. Wer betet, und wenn ja, wann, was und warum? | Von Andreas Loos

Ein Barometer erfasst den Luftdruck und kann uns anzeigen, wie es um das Wetter steht: bewölkt, wechselhaft oder sonnig. Das Börsenbarometer misst die Stimmung an der Börse und versucht, Entwicklungen zu prognostizieren. In diesem übertragenen Sinn gibt es viele Barometer. Ich versuche es an dieser Stelle mit einem Gebetsbarometer: Wie steht es ums Gebet; wie viele Menschen beten; wie oft und wie intensiv wird gebetet? Und lässt sich was sagen zu den Bedingungen, unter denen Menschen angeregt werden zu beten?

Grundhaltung Staunen – und weshalb sich das lohnt

Schon vielfach hat es sich gezeigt: Mit der Haltung von Neugier und Staunen wird es wahrscheinlicher, dass wir Praktiken oder Phänomene neu wahrnehmen und tiefer verstehen. Das heisst an dieser Stelle:

Die Frage, was das christliche Gebet ist, stellt sich erst mal hinten an. Theologische Vorgaben über das Gebet und wie man folglich zu beten habe, bergen die Tendenz, das konkrete Beten der Menschen zu verfehlen, vielleicht sogar zu verunsichern, zu hemmen oder zu verunmöglichen.

Aus diesem Grund gehe ich von den vielfältigen und auch diffusen Erfahrungen, die Menschen beim Beten machen, aus und beobachte, um nichts voreilig zu überspringen.

Erstaunlich: Menschen beten – immer noch!

Das Barometer schlägt an. Es wird gebetet – immer noch! Das mag fast banal klingen, ist es aber nicht. Denn schon viele haben geraunt, dass mit der Modernisierung unserer Lebenswelt eine Säkularisierung einhergeht. Gemeint ist damit, dass religiöse Überzeugungen und Handlungen wie das Beten immer unplausibler werden und aus dem Leben der (meisten) Menschen verschwinden werden. So meinte man – es kam anders.

Ist Beten derzeit angesagt?

Wie häufig und intensiv ein Mensch betet, wie zentral das Gebet für eine Person und ihre Lebensgestaltung ist, das sind wichtige Grundfragen bei der Messung von Religiosität. Hier entscheidet sich mit, ob ein Mensch hochreligiös, religiös oder nichtreligiös ist.

Hochreligiöse beten – wie erwartet – am meisten, und in Staaten mit höherem Anteil an Religiösen oder Hochreligiösen, wie etwa den USA oder Brasilien, wird entsprechend mehr gebetet.

Ich will jetzt nicht mit Zahlen umherwerfen. Wer mag, kann mit Hilfe der Links und der Literaturangaben am Ende dieses Blogs in die Details der unterschiedlichen Erhebungen eintauchen. Erhellend für die Frage, ob das Beten in Ländern wie der Schweiz oder Deutschland „in“ oder „out“ ist, sind unter anderem die folgenden Beobachtungen.

Gebetshäufigkeit: „Wie oft beten Sie?“

Das Schweizerische Bundesamt für Statistik kommt zu dem Ergebnis, dass knapp 45% der Bevölkerung im Jahr 2019 nie gebetet haben, knapp 25% beteten (fast) täglich oder mehrmals täglich. Statista erfragte die Häufigkeit des Gebets in der Schweiz im Dezember 2017 und ermittelte, dass 57% nie beten, 14% mehrmals täglich oder täglich und 10% wöchentlich oder mehrmals in der Woche. Eine Umfrage von Infratest Dimap aus dem Jahr 2012 ergibt für Deutschland: 17% beten täglich, 8% einmal wöchentlich, 17% seltener und 39% nie.

Jugendliche beten überraschend häufig

Also immerhin: Etwa ein Viertel der Bevölkerung betet mehr oder weniger. Noch erstaunlicher waren die Ergebnisse der Tübinger Jugendstudie „Jugend-Glaube-Religion“ (2018), in der mehr als 7000 Jugendlichen zwischen 16 und 24 befragt wurden. Helga Kohler-Spiegel fasst es auf feinschwarz.net so zusammen:

„Mehr als die Hälfte der befragten Jugendlichen (52%) glaubt an Gott, diejenigen, die an Gott glauben, gehen mehrheitlich von einem Gott als Gegenüber aus. Dreiviertel beten gelegentlich oder häufig, Gebetsanlass sind Kummer und Dankbarkeit. Als ‚religiös‘ würden sich trotzdem nur 22% bezeichnen, fast doppelt so viele von ihnen (41%) sagen aber von sich selbst, ‚gläubig‘ zu sein.“

Weniger Gebet – mehr religiöse Erfahrung?

Es scheint sich zu bestätigen, was die Skeptiker:innen der Säkularisierungsthese schon länger vermuten:

Traditionelle, institutionell organisierte und dogmatisch konditionierte Religion nimmt ab, während das religiöse Suchen und Leben in neue, hochindividualisierte Formen von Spiritualität und Gläubigkeit abwandert und dort aufblüht.

Das Gebet wäre demnach von der Säkularisierungsdynamik unserer Gesellschaft unberührt.

Jörg Stolz und Jeremy Senn sehen das anders. Im Rahmen der Studie „Religionstrends in der Schweiz“ kommen sie zu folgendem Schluss (S. 17):

„Über alle Befragten gemittelt sinkt die Bethäufigkeit in angenähert linearer Weise von 42.6 % täglich Betender im Jahr 1988 zu 14.3 % täglich Betender im Jahr 2018.“

Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt der neueste Religionsmonitor 2023: Gaben im Jahr 2013 noch 23% der Bevölkerung an, täglich zu beten, so sind es zehn Jahre später noch 17%. Der Anteil derer, die gar nicht beten, stieg im gleichen Zeitraum von 32% auf 43% heute.

Jedoch weist Stefan Huber in einem Artikel der Neuen Züricher Zeitung erneut darauf hin, dass religiöse Erfahrungen zunehmen, während das Gebet abnimmt. Fragt man danach, wie oft Menschen das Gefühl haben, von einer ausser- oder übermenschlichen Macht, einer höheren Wirklichkeit berührt, getragen oder bewahrt worden zu sein, sieht die Antwort im Religionsmonitor 2017 für die Schweiz so aus: Etwa 80% erleben derartiges selten, über 50% gelegentlich, oft oder sehr oft. Gegenüber 2007 ist das ein Anstieg von 7%.

Ich kann mir dieses Auseinandertriften von Gebet und religiöser Erfahrung erst mal nur so erklären, dass die religionssoziologischen Erhebungen noch zu sehr nach Gebet im traditionellen Sinn fragen: Teilnahme an institutionellen und ritualisierten Formen des Gebets oder auch Gebet als bewusstes Gespräch mit einer personal-transzendenten göttlichen Instanz. Was aber, wenn Beten eine Haltung ist? Eine Art zu leben, in der Menschen für spirituelle Erfahrungen offen sind, sie machen und dann in derart neuer Gestalt ausdrücken, dass man sich fragt: Ist das jetzt noch beten (im herkömmlichen Sinn)?

Es gibt keine betenden Mehrheiten … gut so

Das Gebetsbarometer schwankt. Ein eindeutiger, quantitativer Befund liegt derzeit nicht vor. Ob das Gebet gesamtgesellschaftlich zunimmt, stagniert oder abnimmt, das lassen die Zahlen erst mal offen, und ich finde, das darf hier auch getrost offenbleiben.

Denn was hätten die Menschen, die beten oder nicht beten, schon davon, wenn sie wüssten, zu einer wachsenden Mehr- oder Minderheit zu gehören? Vielleicht einfach mehr Machtbewusstsein?

Tatsächlich ist die Erzählung, dass religiöse Praktiken dem Untergang geweiht sind, immer wieder als Mittel zur Durchsetzung der eigenen säkularen Interessen gestrickt worden. Es wäre nicht besonders menschenfreundlich, den Spiess nun einfach umzudrehen und hämisch zu sagen: „Ätsch, ätsch, zu beten ist auf dem Vormarsch.“ Und redlich wäre es auch nicht, denn die Zahlen geben es nicht her.

Gebetsauslösende Situationen

Ein Gebetsbarometer kann nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Aspekte des Betens erfassen. Dies ist möglich, indem man hineinzoomt in das Leben der Menschen und fragt, in welchen Situationen sie beten, welche spirituellen Erfahrungen sie zum Beten veranlassen und was ihre Gebetsthemen sind.

Eine Umfrage von YouGov vom Februar 2021 listet: Menschen beten während einer Beerdigung (42%) und in Gottesdiensten (38%); für Angehörige, Freunde (37%) oder sich selbst (34%) in Zeiten der Not; wenn sie dankbar sind und Glück empfinden (30%); bei einem starken persönlichen Wunsch (23%); angesichts persönlicher Herausforderungen (23%) oder vor Prüfungen (16%). Wenige beten beim Glücksspiel, Sportereignissen oder TV-Duellen.

Die empirica Jugendstudie 2018 listet für hochreligiöse Jugendliche folgende Gebetsthemen (1 „nie“ bis 5 „oft“): Dankbarkeit gegenüber Gott (4,30); Bitte für mich selbst (4,29); Bitte für andere Menschen (4,10); Bitte um Führung (3,86); Bitte um Vergebung (3,47); Verehrung oder Lob Gottes (3,45); Ärger oder Enttäuschung Gott gegenüber (2,59); Angst, den Glauben zu verlieren (2,23).

Ich versuche, diese Einsichten in einer vergröbernden Dreiteilung zu vertiefen: Menschen beten, wenn es ernst wird, wenn es gut ist und wenn es Zeit ist.

Beten, wenn es ernst wird

Wir machen die Erfahrung, dass unser Leben kollektiv und individuell bedroht ist durch Natur- und Klimakatastrophen, Kriege, Pandemien, strukturelle Unmenschlichkeit, Krankheiten, Leiden und Risiken aller Art.

Die Nichtselbstverständlichkeit des Lebens – es könnte genauso gut auch nicht sein! – wird uns auch an seinen Rändern bewusst: bei der Geburt und angesichts des Todes.

Und nicht ganz so dramatisch, aber dennoch ernst wird es, wenn etwas Neues auf uns zukommt oder wichtige Entscheidungen anstehen.

Unterschiedliche Formen von Gebet geben den Bedürfnissen Raum, die in solchen Situationen oder unter dauerhaften Bedingungen der Not entstehen. Etwa der Wunsch nach Veränderung, Glück und Ganzheit; der Schrei um Rettung und Heilung; die Bitte um Kraft zum Aushalten; der Drang zu seufzen, zu klagen und zu protestieren; das Teilen der Leidenslast; die Suche nach Trost, Halt, Orientierung und einer neuen Perspektive auf die Situation.

Wer betet, verleiht der vielschichtigen Bedürftigkeit des eigenen Lebens Ausdruck. Das Gebet hilft bei der Krisenbewältigung und bewährt sich als Coping-Strategie. Gerade auch das gemeinsame Gebet. Es scheint etwas dran zu sein an dem alten Sprichwort: Not lehrt beten! Oder?

Gerne wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Google-Suche nach Gebeten zu Beginn der Coronapandemie weltweit um 50% in die Höhe schnellte. Aber Achtung! Zu einer gesamthaften Intensivierung des Gebets oder der Meditation ist es lediglich bei Hochreligiösen gekommen. Für diejenigen mit geringer oder gar keiner religiösen Bindung war das Gebet keine Ressource zur Pandemiebewältigung. So lautet zumindest das Fazit, das Carolin Hillenbrand und Detlef Pollack aufgrund des Religionsmonitors 2023 ziehen (Religion als Ressource zur Krisenbewältigung, S. 23-24).

Not kann beten lehren, aber ich habe es auch schon umgekehrt erlebt: Leid, gerade auch chronisches Leiden, kann das Gebet verstummen lassen.

Beten, wenn es gut ist

In Momenten des Glücks oder der Dankbarkeit entdecken wir, dass das Leben im Detail wie im Ganzen unverfügbar ist. Etwas fällt uns zu, Dinge fügen sich zusammen oder ein langes Projekt gelingt. Wir spüren: Reiner Zufall war es nicht, aber selbstgemacht auch nicht.

Ein Stück Welt, eine Landschaft, eine Szene, ein Kunstwerk oder ein anderer Mensch ergreift mich und spricht mich wohlwollend an. Wir erkennen und fühlen, dass die Welt zu uns passt und wir zu ihr.

Dankbar machen uns auch die Momente, in denen wir mit einem Schrecken davongekommen sind, weil wir bewahrt wurden und noch mal Glück gehabt haben.

Derartige Widerfahrnisse können zu spirituellen Erfahrungen werden, wenn sich in ihnen das Bedürfnis bahnbricht, danke sagen zu wollen. Und zwar nicht nur für dies oder jenes, das mir konkret geschenkt worden ist, sondern für das Leben selbst und die eigene Existenz als Ganze. Man wird des gnadenhaften Charakters allen Seins gewahr und ahnt, dass hinter dem einzelnen Guten eine letzte, tragende Güte, ein grosses Wohlwollen steht.

An dieser Stelle wird schön deutlich, dass die göttliche Adresse, an die man sich lobend und dankend wendet, unterschiedlich gedacht werden kann. Viele wenden sich an einen personalen Gott, besonders wenn sie ihm als Du für etwas Konkretes danken wollen.

Wenn sich hingegen die „Seins-Dankbarkeit“ (Nikolaus Brantschen) oder die „kontemplative Dankbarkeit“ (Dieter Henrichs) ausdrücken will, so geschieht das bei vielen eher gegenüber einer überpersonalen Gottheit, ohne Worte, in innerer oder äusserer Verbeugung oder mystischem Eintauchen.

Beten, wenn es Zeit ist

Neben dem spontanen, situativ ausgelösten Gebet praktizieren Menschen auch das ritualisierte. Hier wird zur festgelegten Zeit an einem bestimmten Ort gebetet. Dazu gehört das Gebet zu den Mahlzeiten, bestimmten Tageszeiten, kirchlichen Feiertagen und natürlich während kirchlicher Gottesdienste. Wiederum finden unterschiedliche Bedürfnisse ihren Ausdruck.

Wir strecken uns danach aus, das Gebet kontinuierlich einzuüben und zu kultivieren, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass Beten sinnvoll und lebensdienlich ist.

Dass in dieser Form des Betens viel Äusseres, aber auch die Themen oder die formulierten Worte vorgegeben sind, empfinden die Teilnehmer:innen als befreiend.

Denn hier, wo klar ist, dass man miteinander betet, kann ein Schutzraum entstehen, in dem man sich nicht schämen dafür muss, dass man betet. Die Beter:innen werden entlastet vom Druck, jedes Gebet selbst hervorzubringen, mit eigener Organisation und Wortwahl authentisch ausdrücken zu müssen, was in ihnen ist (Entscheidungs- und Authentizitätszwang). Stattdessen partizipieren sie an den Gebeten, Gesten und Worten anderer und werden dadurch in ihrem eigenen Beten vertreten oder getragen.

Derartige Erfahrungen weisen darauf hin, dass das Gebet nicht nur expressiven, sondern auch rezeptiven Charakter hat. Es bewegt sich von innen nach aussen und von aussen nach innen. Indem ich regelmässig und durchaus zunächst äusserlich eine Liturgie, ein Ritual (mit)vollziehe, öffne ich mich für die Möglichkeit, im Inneren verändert zu werden. Ich werde vielleicht befähigt, die eigene oder die Not anderer empathisch wahrzunehmen und mich ihr zu stellen. Meine Achtsamkeit für die Güte und Schönheit des Lebens wird sensibler, so dass die Dankbarkeit und das Staunen zu mir kommen, bevor ich sie wiederum ausdrücke.

Warum beten Menschen?

Bestimmte Situationen und Erfahrungen mögen Auslöser für das Gebet sein, aber der Grund für das Beten liegt noch einmal woanders, noch einmal tiefer.

Es ist in meinen Augen die Sehnsucht nach resonanter Selbst-, Welt- und Gottesbeziehung mit dem Ziel, sich selbst und das eigene Leben sinnvoll im Ganzen verorten zu können.

Erstaunlich, wie sich die Beter:innen zu sich selbst, anderen Menschen, der Welt und auch Gott verhalten. Von wem oder was sie sich angesprochen fühlen, wen oder was sie ansprechen oder zum Sprechen bringen wollen. Die ersehnte Verbundenheit geschieht im Gebet jedoch zentral über Gott.

Wer betet versucht sich zurückzubinden an das Heilige, das Göttliche, dem man das eigene Leben verdankt und von dem man getragen wird. Wer oder was dieses Göttliche ist, spielt dabei erst mal keine Rolle und klärt sich wohlmöglich auf dem Weg des Gebets. Das Schweigen Gottes jedoch bringt das Beten an seine Schmerzgrenzen.

Was zeigt das Gebetsbarometer theologisch an?

Mit den spirituellen Erfahrungen betender Menschen zu beginnen, öffnet mir den Blick auf Aspekte des Gebets, die wir hier in diesem Dossier „Spirituell leben und beten“ weiterverfolgen werden.

Es geht dabei um eine Theologie, die den Menschen die Möglichkeit des Gebets offenhält und die Praxis des Betens beflügelt und bereichert.

Ein kleiner Ausblick auf das, was kommen könnte:

Gebet zwischen Ausgrenzung und Vereinnahmung

Wer bei den Gebetserfahrungen der Menschen ansetzt, merkt bald, dass sich die traditionell christliche Gebetsauffassung verflüssigt und weiter wird. Gebet ist mehr als zum Beispiel das Gespräch mit einem personalen, transzendenten Gott. Eine offene Beschreibung dessen, was im Gebet alles geschieht und erfahren wird, lädt ein, zu beten, sich selbst als betend zu entdecken und weiterzuentwickeln.

Darauf zu verzichten, Menschen theologisch aus dem Gebet heraus zu definieren, heisst aber nun nicht, alles Mögliche zum Gebet zu erklären. Wenn wir Überzeugungen und Praktiken, die von den Beteiligten niemals als Gebet bezeichnet würden, als anonyme Gebetsformen vereinnahmen, wäre das übergriffig. Von daher könnte die Frage, was christliches Gebet ist, erneut interessant werden.

Wann hat es sich ausgebetet?

Häufig richtet sich der Fokus darauf, ob man beten soll oder nicht. Was aber ist mit denen, die nicht mehr beten können oder wollen?

Es gibt gute Gründe, das Gebet einzustellen, allen voran die unzähligen Enttäuschungen mit einem Gott, der die eigenen Bitten nicht erhört, sondern schweigt.

Sich die Geschichten des zu Ende gegangenen Betens erzählen zu lassen und zu reflektieren, könnte lohnen.

Sinn und Unsinn des Betens

Um der Menschen willen stellt sich mir die Frage, ab wann Gebet unsinnig oder gar missbräuchlich ist. Und umgekehrt, denn wenn es stimmig, heilsam und lebensdienlich ist zu beten, möchte ich das niemand vorenthalten, sondern theologisch so leuchtend wie möglich entfalten.

Wer ist der Gott, zu dem wir beten?

Die hier herangezogenen Umfragen zeigen an, dass sich immer mehr Menschen als spirituell, nicht aber als religiös bezeichnen. Damit einher geht eine Verschiebung von einer personalen Gottesvorstellung hin zum Glauben an die Existenz einer höheren Macht. Wie hängen Gebetspraxis und Gottesvorstellung zusammen? Wie bedingen sie sich gegenseitig? Ist eine personale Gottesvorstellung für das Gebet unerlässlich, wenn es Sinn machen soll? Oder vielleicht eher hinderlich bis problematisch? Kann man am Ende „Gottlos beten“ (Nikolaus Brantschen) oder „Atheistisch glauben“ (Hartmut von Sass)?

Links

Literaturtipps

  • Niklaus Brantschen: Gottlos beten. Eine spirituelle Wegsuche, Ostfildern 2021.
  • Arndt Büssing: Empirische Zugänge zum Beten im Horizont von Krankheit und Gesundheit, in Simon Peng-Keller (Hg.): Gebet als Resonanzereignis. Annäherungen im Horizont von Spiritual Care, Göttingen 2017, S. 111-128.
  • Thorsten Dietz: Dankbarkeit und Gebet, in Thorsten Dietz und Henning Freund: Gebet und Erfahrung, Berlin 2015, S. 195-230.
  • Tobias Faix und Tobias Künkler: Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche. Das Buch zur empirica Jugendstudie 2018, Neukirchen-Vluyn 2018.
  • Michael Meyer-Blanck: Das Gebet, Tübingen 2019, vor allem S. 1-9; 303-313.