Queere Theologie – eine sehr kurze Einführung

Von Thorsten Dietz

Neugierde, Unverständnis und Empörung

Seit einigen Jahrzehnten wächst das Feld Queerer Theologie – vor allem international. Auch im deutschsprachigen Raum wächst das Interesse, wie der von Miriam Löhr und Lara Kneubühler herausgegebene Aufsatzband Queere Theologie zeigt. Zugleich stossen Veröffentlichungen zu diesem Thema zuverlässig auf Unverständnis oder auch (vor allem in den sozialen Medien) auf Empörung. An der Empörungsbereitschaft mancher Menschen lässt sich nicht viel ändern. Am Unverständnis schon.

Vieles, was mit Queer Theory zu tun hat, ist sehr komplex, weil es voraussetzungsreich ist, aber auch, weil viele in diesem sensiblen Thema keine Verkürzungen begehen wollen.

Lange fehlten Einführungen für Menschen, die in ihrer Beschäftigung mit solchen Fragen noch am Anfang stehen. Zum Glück gibt es zunehmend gute Überblicksdarstellungen. Im deutschen Sprachraum kann man vor allem das Buch Gott queer gedacht des altkatholischen Theologen Andreas Krebs nennen. Im Anschluss an diese und andere Einführungen möchte ich hier einen sehr kurzen Überblick geben.

Was bedeutet «queer»?

  • Diskriminierung. Queer entspricht so ziemlich dem deutschen «quer», mit der Bedeutung schräg, sonderbar, merkwürdig. Es wurde gegen homosexuelle Menschen verwandt als ein Terminus der Verächtlichmachung und der Ausgrenzung, ähnlich wie pervers oder abnorm.
  • Positive Aneignung. Die so bezeichneten Menschen haben sich das Wort zu eigen gemacht, als eine mit Stolz geführte Selbstbezeichnung. Ja, wir sind queer, eure engherzige Normalität ist für uns nicht erstrebenswert. Wir sind anders: vielfältig, bunt, tolerant und offenherzig.
  • Umbrella term. So verstanden, wurde das Wort zunehmend zu einem Dachbegriff für viele Formen der geschlechtlichen Identität bzw. der sexuellen Orientierung. Vor allem Jüngere verwandten queer als Selbstbezeichnung im Sinne der LGBTQI+-Gemeinschaft. Queer steht für eine unabschliessbare Vielfalt, die auch als fluide erlebt werden kann. Queer steht nicht nur für eine gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung.
  • Analysekategorie. Queer wurde zuletzt auch in den Wissenschaften aufgegriffen, als eine Forschungsperspektive, die sich kritisch mit normativen Idealen und binären Denkschemata auseinandersetzt. Queer Studies weisen in interdisziplinärer Vielfalt nach, dass viele vermeintlich eindeutigen Wesenszuschreibungen (Eine Frau ist…) und Ordnungen, was als «natürlich» gilt, tatsächlich das Ergebnis sozialer und geschichtlicher Konstruktionen sind, die sich im Wandel befinden.

Queere Perspektiven in der Theologie

Wenn von Queerer Theologie die Rede ist, dann ist in erster Linie ein Anschluss an die Perspektiven der Queer Theory gemeint, wie in vielen anderen Wissenschaftsbereichen auch. Bilder, Konzeptionen oder Normen der Geschlechtsidentität oder der Sexualität werden kritisch reflektiert und neu gedacht. In der Theologie treten solche Ansätze nicht an die Stelle bisheriger theologischer Disziplinen; sie bereichern diese um eine kritische wie aufschlussreiche Perspektive.

Queere Perspektiven hinterfragen z.B. die Vorstellung, dass Gott als wesentlich männlich gilt.

Sie zeigen, dass sich solche Zuschreibungen erst in der Geschichte entwickelt haben. Sie machen biblische und geschichtliche Ansatzpunkte sichtbar, die eine solche Zuschreibung hinterfragen.

Was kann die Formel «Gott ist queer» bedeuten?

Wenn man sich das Bedeutungsspektrum von queer klarmacht, wird auch schnell die Bedeutungsvielfalt des Satzes «Gott ist queer» deutlich.

Es geht gerade nicht darum, Gott auf eine bestimmte sexuelle Orientierung festzulegen, wie manche diesen Satz missverstehen bzw. missverstehen wollen.

Gemeint kann er in einem doppelten Sinne sein:

  • a) Gott ist queer kann erstens verstanden werden als positive Identifikation Gottes mit Menschen, die von der Gesellschaft abgelehnt und ausgegrenzt werden, weil ihre geschlechtliche Identität oder ihre sexuelle Orientierung von der vermeintlichen Normalität abweicht. Der Satz ist dann ganz ähnlich wie «God is black» gemeint. Die Pointe von «God is black» ist ja auch nicht, dass Gott eine schwarze Hautfarbe hat; sondern dass Gott entgegen geschichtlich mächtig gewordenen Bildern nicht weiss ist, sondern solidarisch auf Seiten der Unterdrückten steht.
  • b) Gott ist queer kann zweitens im Sinne der Queer Theory verstanden werden: Gott ist nicht festlegbar. Gott ist kein «er» und auch keine «sie». Sie passt nicht in unsere Schubladen. Alle Begriffe und Kategorien, die wir für ihn verwenden, sind kulturell bedingt und können Gott nicht vollständig erfassen.

Meistens dürften beide Bedeutungen mitschwingen, wo dieser Satz verwendet wird.

Mehrdeutigkeit ist ein queerfreundliches Sprachphänomen.  

Geschichte der Queeren Theologie

In der Theologie sollte dieser Ansatz in Deutschland bekannter sein, als er es gegenwärtig wohl noch ist. Darum geben wir hier einen kurzen Überblick zur Geschichte nach Patrick S. Cheng.

Cheng ist ein asiatisch-amerikanischer Theologe mit anglikanischem Hintergrund. In seinem Buch Radical Love gibt Cheng einen knappen und darum für den Einstieg hilfreichen Überblick über Wesen und Geschichte Queerer Theologie. Cheng geht aus von der Frage, wie Theologie auf ihre Weise eine queere Theorie sein bzw. werden kann. Der entscheidende Gedanke ist für Cheng die Offenbarung Gottes als radikale Liebe. Wenn Gott Liebe ist, dann kann Gott nicht als ausgrenzend, beschämend und abwertend gedacht werden; Erst recht nicht gegenüber eine Menschengruppe, die in vielen Gesellschaften Diskriminierung erfahren hat und noch erlebt.

Cheng unterscheidet vier Phasen Queerer Theologie: a) Apologetische Theologie, b) Befreiungstheologie, c) Relationale Theologie (Feministische Theologie) und schliessliche d) heutige Queere Theologie

a) Apologetische Theologie

Am Anfang standen theologische Ansätze, die sich um eine Revision traditioneller Verurteilungen von Menschen bemühten. Schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es Menschen, die bewusst den christlichen Glauben mit Homosexualität positiv zusammendenken wollten. International steht Derrick Sherwin Bailey mit seiner Monographie Homosexuality and the Western Christian Tradition (1955) am Anfang einer theologischen Neubewertung. Baileys grundlegende These lautet: Angesichts unserer heutigen Einsichten, dass homosexuelles Empfinden zur Vielfalt des Menschseins gehört und weder kriminologisch noch pathologisch beurteilt werden kann, sollte die theologische Bewertung grundlegend verändert werden. Bisherige Verurteilungen gingen von einer unzureichenden Wahrnehmung der Wirklichkeit dieser Menschen aus. Cheng zeichnet die Entwicklung in der Englischsprachigen Welt nach, bis John Boswell, der sich 1980 in seinem Buch Christianity, Social Tolerance, and Homosexuality um den Nachweis bemühte, dass es in der Kirchengeschichte immer schon Raum für gläubige, queere Menschen gab.

Auch im deutschsprachigen Raum gab es in der Nachkriegszeit eine Reihe von Ansätzen, die sich im Horizont traditioneller Theologie um eine Neubewertung bemühten, wie Else Kähler und Theodor Bovet in der Schweiz.

b) Befreiungstheologie

Befreiungstheologische Ansätze begannen in den 1960er Jahren mit einer grundsätzlichen Kritik an einer Theologie, die die Armen und Marginalisierten verriet. Südamerikanische Befreiungstheologie und Black Theology entwickelten ein grundlegend neues Paradigma der Theologie, das nicht mehr einseitig auf die Erlösung des Einzelnen, sondern ganzheitlich auf die Befreiung von Menschen ausgerichtet war.

Wenn man von der Einsicht ausgeht, dass Gott auf der Seite der Marginalisierten steht und nicht auf Seiten der Unterdrückungsstrukturen, dann ist diese Wahrheit auch für andere Formen der Ausgrenzung wesentlich.

Ab den 1970ern propagieren Theolog:innen wie Sally Gearhart und William Johnson «The good News of Gay Liberation». In Heterosexismus und Homophobie erkannten sie Ausgrenzungsmuster, die Menschen ungerecht behandeln und zutiefst beschädigen. Das Evangelium vom Reich Gottes ist unvereinbar mit jeder Logik der Diskriminierung.

c) Relationale Theologie (Feministische Theologie)

Ebenfalls in den frühen 1970ern begannen lesbische Theologinnen, die feministische Theologie zu erweitern um den Aspekt der von ihnen erfahrenen Diskriminierung.

Wir können uns an einem konkreten Beispiel klar machen, wie innerhalb der feministischen Theologie zunehmend die Fragen queerer Menschen wahrgenommen wurden – und damit auch erste Ansätze zu Überlegungen, die wir als queer bezeichnen würden.

Carter Heyward ist ein gutes Beispiel für theologische Entwicklung. Auch in den Büchern, die noch ganz verwurzelt sind in klassisch-feministischer Theologie und noch nicht geprägt von Theoretiker:innen wie Butler und Foucault, finden sich gleichwohl schon viele Erfahrungsansätze für spätere queere Theologie.

Carter Heyward entwickelte aus ihren Erfahrungen als anglikanische Priesterin und lesbischer Frau eine Theologie der Verbundenheit, die Theologie insgesamt hierarchiekritisch erneuern wollte. Relationale Theologie steht für die kritische Hinterfragung autoritärer Gottesbilder und Ethikkonzeptionen insgesamt.

Heyward beschreibt zunächst, wie die Ausgrenzung aus allen Kategorien öffentlicher Akzeptanz auf sie und viele andere wirkte:

«Äussere Zeichen der romantischen Liebe, wie Ringe, Hochzeiten und öffentliche Darstellungen von Zuneigung wurden uns vorenthalten. Auch auf die religiöse Legitimation der romantischen Liebe, auf den Segen, mussten wir verzichten. Unsere Beziehungen wurden weder gefeiert noch akzeptiert oder anerkannt, und so hatten wir kein anderes gemeinsames Wort für uns selbst und für die, die wir lieben, als das Wort Liebende oder Liebender, Geliebte oder Geliebter.» (198)

Diese Erfahrung der Ausgrenzung war auch augenöffnend. Sie zeigte, dass es nicht nur Sexismus gab, wie ihn die feministische Theologie kritisierte, sondern auch das, was Heyward  «Heterosexismus» (203) nennt (und wir als Heteronormativität bezeichnen würden).

Die Entdeckung und Kritik dieser Kategorie beschreibt Heyward eindrücklich als eine Erfahrung, für die sich uns das Wort queer aufdrängt: «Wenn wir darangehen, den Heterosexismus abzuschaffen, so heisst das, dass wir uns ein wenig verrückt fühlen. Wir sind in heterosexistischen Werten aufgewachsen und erzogen worden. … Es ist schwer und ermüdend, diese Vorstellungen nur privat abzulehnen und es führt uns zu sonderbaren Gefühlen von Gespaltenheit.»

«Öffentlich zu sagen, dass wir Lesben oder Schwule sind, heisst, dass wir uns zumindest für bestimmte Zeit darauf einlassen, uns verrückt zu fühlen (…) als hätte ich einen Schritt aus der Arena des Akzeptablen und Verstehbaren heraus gemacht, als hätte ich selbst das verlassen, was auch für mich erfassbar ist.» (204)

Heyward beschreibt hier in den 1980er Jahren Erfahrungen, die später durch Konzeptionen wie Dekonstruktion, Heteronormativität oder Heterotopie eingeordnet werden konnten. In diesen Konfusionen waren es in erster Linie die neuen Bande der nicht-hierarchischen, weil nicht durch gesellschaftliche Ideale bestimmten lesbischen Beziehungen und die Verbundenheit in der Community, die zu neuen Vorstellungen der Relationalität Anregungen gaben – bis hinein in die Konzeptionen von Gott und Erlösung.

d) Queere Theologie

In den 1980ern und 1990ern begannen die Ansätze, die wir heute als Queer Theory im eigentlichen Sinne bezeichnen. Sie haben ihrerseits Wurzeln in den zuvor genannten Bewegungen, vor allem aber auch in poststrukturalistischen und gendertheoretischen Ansätzen von Michel Foucault, Judith Butler u.a. Das entscheidend Neue ist die grundsätzliche Kritik an den Normalitätskonstruktionen bisheriger Theologie und Ethik. Nicht die einzelne diskriminierende Behandlung, sondern die Denkformen, die Abwertung und Ausgrenzung nach sich ziehen, gerieten ins Zentrum der Kritik.

Im Anschluss an queertheoretische Ansätze setzen sich queere Theolog:innen wie Marcela Althaus-Reid, Linn Tonstad etc. für eine Theologie ein, die nicht mehr apologetisch den Eindruck erweckt, queerer Menschen bedürften einer Rechtfertigung. Linn Tonstadt zeigt, dass die apologetischen Ansätze der Vergangenheit letztlich stets die Logik der bisherigen Theologie als selbstverständlich voraussetzen und mit den Mitteln dieser Entwürfe zeigen wollen, dass auch queere Menschen einen Platz in dieser theologischen Denkwelt finden können.

Faktisch tragen apologetische Diskurse dazu bei, dass queere Menschen bzw. ihre Lebensformen zunächst einmal weiterhin als Abweichungen erscheinen, die fragwürdig und im besten Fall rechtfertigungsfähig sind.

Faktisch bleiben die Logik der Markierung und Aussonderung so erhalten, und sei es im Modus der Apologetik.  

Queere Theologie durchdenkt alle theologischen Themen neu von der Erfahrung queerer Menschen her. Sie hinterfragt leitende Kategorien von Geschlecht und Lebensformen viel grundsätzlicher, weil sie ihre geschichtliche Entstehung und ihre vielfach destruktiven Ausschliessungslogiken als kontingent und veränderbar nachweist, Sie macht die Uneindeutigkeit geschlechtlicher Zuschreibungen sichtbar und erweitert so den Fokus über das bis dahin im Zentrum stehenden Thema der Homosexualität hinaus.

Das Spektrum Queerer Theologie

Es gibt nicht «die» queere Theologie. Der altkatholische Bonner Theologe Andreas Krebs unterscheidet in seinem Buch Gott queer gedacht vor allem zwei Entwicklungen, einen a) affirmativen und einen b) kritischen Flügel.

a) Offenbarungstheologische, «konservative» Queere Theologie

Auf der einen Seite gibt es Theolog:innen, die zur christlichen Tradition ein affirmatives Verhältnis haben – und Anliegen queerer Theorie in christlicher Theologie vorgezeichnet finden. Der Ansatz von Theolog:innen wie Graham Ward, Sarah Coakley, Elizabeth Stuart «bestätigt theologisch-kirchliche Traditionen und den Wunsch queerer Menschen, sich darin zu beheimaten.» (59) Ihnen geht es nicht nur um eine Erweiterung bisheriger Theologie wie z.B. im Falle der Ehe für alle, sondern um die Entdeckung, dass die traditionelle Theologie immer schon viele Ansätze für Grenzüberschreitungen enthalten hat, die wir heute als Queerness deuten können. Der anglikanische Theologie Graham Ward verweist z.B. auf eine orthodox verstandene Lehre von der Jungfrauengeburt Jesu durch Maria. Anders als bei allen anderen männlich gelesenen Menschen kann Jesus nicht das Y-Chromosom durch einen männlichen Vater vermittelt bekommen haben.

Aus noch so konservativer Sicht sollte einleuchten, dass eine Jungfrauengeburt unnatürlich ist, wundersam – oder eben auch «queer». Wo man diese Vorstellungswelt ernstnimmt, kann man Geschlechtlichkeit nicht mehr unmittelbar an binäre Biologie binden.

b) Kritische bzw. «progressive» Queere Theologie

Auf der anderen Seite gibt es den Ansatz von queeren Theolog:innen wie z.B. von Robert Shore-Gross, Marcella Althaus-Reid und Linn Tonstadt. Nach Krebs widerspricht diese Richtung «theologisch-kirchlichen Traditionen, und sie bestätigt queeren Widerspruchsgeist, um Theologie und Kirche zu revolutionieren.» (59) Kritisch gegenüber der ersten Richtung wenden diese Theolog:innen ein:

Wenn es in der christlichen Theologie schon immer soviel Queerness gegeben hat, warum haben sich dann die Kirchen viele Jahrzehnte lang so schwer getan mit der Anerkennung queerer Menschen?

In diesen Ansätzen geht es stärker um grundsätzliche Kritik an den bisherigen theologischen Systemen. Vor allem Marcella Althaus-Reid (1952-2009), die wohl bekannteste queere Theologin der letzten Jahrzehnte, provoziert die klassische Theologie dadurch, dass sie auf die immer schon verdrängte und zugleich anwesende sexuelle Dimension vieler klassischer Theorien und Praxen verweist. Für Althaus-Reid haben es auch die Befreiungstheologie und die Feministische Theologie nicht geschafft, das Gefüge der Normalitätsideale von Geschlecht und Sexualität innerhalb der christlichen Tradition herauszufordern. Christliche Moral war vielfach mit rigiden Vorgaben des Anständigen und Exklusionen des Perversen verwoben. Diesen Zusammenhang suchte sie aufzulösen, durch gezielte Verunanständigung der Theologie. Alle Genannten knüpften zugleich an zentrale Bestände christliche Theologie an. Entscheidend sei, sie zu «queeren» d.h. in ihrer bisherigen Form in Auflösung zu bringen und zugleich neue Verständnisweisen zu erschliessen.

In diesen beiden Varianten konservativer und progressiver queerer Theologie spiegelt sich natürlich das Spektrum moderner theologischer Entwicklung insgesamt: auf der einen Seite offenbarungstheologische Ansätze, auf der anderen Seite stärker anthropologisch ansetzende, kritisch-liberale Entwürfe. Und natürlich fehlt es nicht an Versuchen, diese beiden Bewegungen zu verbinden.

Die Vielfalt queertheologische Ansätze

Das Spektrum Queerer Theologie ist noch breiter.

– Es gibt Ansätze wie das evangelikale Reformationproject, die sich für eine Integration queerer Menschen einsetzen, zugleich aber auch an traditioneller Theologie festhalten und diese konsequent für die Inklusion queerer Menschen öffnen wollen, so lange diese sich z.B. an monogame Beziehungsformen halten.

– Andere theologische Entwürfe arbeiten stärker mit queer-theologischen Ansätzen aus der oben beschriebenen konservativ-offenbarungstheologischen Richtung und sehen für queere Menschen letztlich nur eine zölibatäre Lebensform als legitim an. Die repressive Haltung von Theolog:innen wie David Bennett sollte den Blick nicht dafür verstellen, dass ein solcher Ansatz keineswegs traditionell oder «straight» ist.

– Und weiter gibt es auf der anderen Seite des Spektrums Ansätze, die sich stärker als die oben genannten Entwürfe über die Grenzen des christlich-theologischen Spektrums hinaus bewegen.

Umgang mit Queerer Theologie

Skeptische Menschen sollten verstehen, dass Queere Theologie kein Ansatz ist, dem man einfach pauschal die Zustimmung oder das Interesse verweigern kann. Sie geht von realen Menschen und Entwicklungen moderner Lebensformen aus, die keine Theologie bzw. Kirche mehr ignorieren kann, weil wir alle immer schon damit in Berührung kommen; auch wo wir das nicht wahrhaben wollen. Und sie mutet durch ihre Neuansätze wie durch ihre kreative Vielfalt zu, sich zunächst einmal mit diesem Diskurs konkret auseinanderzusetzen, bevor man sich eine Meinung gönnen sollte.

Queere Theologie ist grundsätzlich ein von queeren Menschen entwickelter Ansatz. Insofern sollte es sich von selbst verstehen, dass andere Menschen diesen Ansatz nicht einfach übernehmen oder vertreten können. Zugleich sollte Queere Theologie auch nicht als Ansatz von anderen gesehen werden, der neben der «normalen» Theologie in Sonderräumen (und Extra-Bibliotheken) existieren mag. Queere Theologie fordert Theologie insgesamt heraus.

Die Vielfalt Queerer Theologie kennenzulernen, ihre Kritik ernst zu nehmen und das eigene Denken davon so oder anders anregen zu lassen, ist nicht nur herausfordernd, sondern auch bereichernd für alle. 

Literatur

Kneubühler, Lara, Löhr, Miriam (2024): Queere Theologie. Transkript Verlag.

Andreas Krebs (2023): Gott queer gedacht. Würzburg: Echter Verlag.

Tonstad, Linn Marie (2018): Queer Theology. Beyond Apologetics. Eugene (Or): Wipf and Stock Publishers.

Cheng, Patrick S. (2011): An Introduction to Queer Theology, New York: Seabury Books

Heyward, Carter (1986): Und sie rührte sein Kleid an. Eine feministische Theologie der Beziehung. Stuttgart: Kreuz Verlag.

Bildquelle: 

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